Pilotprojekt: Medienfreie Woche im Internat der Schloss-Schule Kirchberg

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"Ich hatte plötzlich mehr Zeit für andere Dinge...", und irgendwie fehlte das Handy doch…

Nun war es zwar nicht so, dass die Schüler*innen mit dem Handy in der Hand, wie blind vor Türen oder Laternenmasten gelaufen sind, aber in der Freizeit nehmen die digitalen Medien doch einen großen Part bei den Jugendlichen ein.

Wie sieht ein sinnvoller Umgang mit Medien, wie Handy, Laptop und Tablet denn aus? Wieviel Zeit verbringen die Jugendlichen tatsächlich am Handy, anstatt es einmal für ein paar Stunden tagsüber, außerhalb der Schule, einfach wegzulegen, um andere Dinge zu tun, auch um sich nur einmal zu erholen, zu "chillen", ohne blaues Licht und ohne den unsichtbaren Elektrosmog, oder den Wellen? Wie sieht es mit der tatsächlichen „Abhängigkeit“ aus?

Medienabgabezeiten nachmittags wie abends, kurz vorm Zubettgehen, gab es auch schon vor dem Pilotprojekt im Schloss-Schul-Internat. Zur Handyausgabe am Morgen, für Schüler*innen ab der neunten bis zur zehnten Klasse, kamen und kommen einige Schüler*innen, schnell zur Covid-Schnelltestung, und steuerten danach sofort die Medienausgabe an. Man könnte ja etwas verpasst haben. Hin und wieder benötigen sie die Medien auch in der Schule, wobei dort auch schuleigene Tablets und I-Pads ausgegeben werden, wenn es der Unterricht verlangt.

Das eigene Handy und Tablet haben längst das Kinder- und Wohnzimmer, sowie die Bibliothek abgelöst, sogar den Fernseher.
Wikipedia, Google und Co. werden zielsicher zur Recherche angesteuert und insgesamt werden mehr Dokus und Filme über Internetportale angeschaut, als im Fernseher und in den Programmen der Sender. Der Wandel der Zeit. Überversorgt an Nachrichten und Ablenkungen, dafür aber unterversorgt an Zusammenhängen.
Hier sind die Lehrer*innen, Erzieher*innen und Pädagog*innen als Vermittler und Moderatoren gefragt.

Das Thema „Handynutzung“ im angemessenen Rahmen trieb die Mentor*innen im Internat der Schloss-Schule schon lange um. Einerseits wolle man mit der Zeit gehen, andererseits die Schüler*innen dafür sensibilisieren, wie viele Stunden am Handy (oft sinnentleert) vertrödelt und verloren gehen. Was könnte man stattdessen, bei reduzierter Zeit, mit den Medien und vor allem mit sich selbst sonst unternehmen; mit den Freunden und Kameraden sowieso?

Mouad Bouzid, 23 Jahre alt, ausgebildeter Erzieher und zurzeit Bachelor-Student zur Sozialen Arbeit, nahm sich in Absprache mit dem Mentoren-Team um Internatsleiterin Melanie Wies, dem Thema an. Angeregt von einem anderen Internat, in dem Mentor Bouzid als Praktikant die 'medienfreien Tage und auch Wochen', meist eine ganze Woche, alle zwei Monate, erlebte, wollte er es nun angehen. Und eines war allen klar, so waren sich die Internatsleiterin, Frau Wies und alle Mentor*innen einig, Mouad in seinem Projekt zu unterstützen: „Es besteht Suchtgefahr und damit die Gefahr einer Abhängigkeit.“

Außerdem, so die Meinung des Erziehers Mouad B., sollen die Schüler*innen Verantwortung für medienfreie Zeiten übernehmen und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Medien (wieder)erlernen.
Zudem gehe es allgemein auch darum, „die soziale Integration noch mehr in den Fokus zu rücken.“

Die Vorbereitung einer, probeweise, medienfreien Woche, sollte gut vorbereitet sein. Die Erzieherkolleg*innen und die Internatsleiterin, Frau Wies, nahmen den Ball auf und fütterten Mouad Bouzid auch mit Ideen und Anregungen - denn es sollten ja auch Angebote und Alternativen bereitgestellt werden. Bouzid selbst testete es im Selbstversuch - eine Woche lang legte er sein eigenes Handy fast die ganze Zeit zur Seite (jedoch so, dass er die wichtigsten Nachrichten einmal täglich abrufen konnte).

Die Schüler*innen im Garten- und Rosenhaus, von der 8. bis zur 10. Klasse, wurden auf das Vorhaben natürlich sachte von Bouzid sowie den Mentor*innen selbst, vorbereitet. Viele saßen erst einmal sprachlos und mit weit aufgerissenen Augen da. „Wirklich, echt jetzt?“, stand den meisten auf die Stirn geschrieben. Die Diskussionen verliefen zu Beginn querbeet, von absoluter Abneigung, aber auch bis hin zur Zustimmung und Neugier auf diesen Selbstversuch. Am Ende sollte die Reflektion stehen, wie es jedem ergangen ist.

Frau Wies als Internatsleiterin schrieb die Eltern im Vorfeld an und beschrieb das Projekt, stellte damit die transparente Umsetzung dar und beruhigte auch, natürlich stünde dem Anruf oder der Kommunikation nach Hause nichts im Weg. Denn einmal am Tag für 60 Minuten, dürften die Schüler auf das Handy zurückgreifen. Diese Zeit wurde von den Mentor*innen, je nach der Arbeitsstunde für Hausaufgaben, koordiniert.

Vom 21. bis 24. März wurde die medienfreie Woche dann umgesetzt. Auf dem Programm standen unter anderem Veranstaltungen wie, kreative Bastelarbeiten, ein Kino-, sowie Kochabend und alle waren begeistert und ganz bei der Sache. Dienstags ging es in die Kletterhalle, an Seilen und Riemen steil hinauf, andere Schüler*innen wiederum nahmen am Spieleabend an verschiedenen Tischen im Speisesaal teil - es durfte viel gelacht werden. Und andere wiederum nahmen an Gesprächsrunden teil. Die Mentor*innen boten ihren Schützlingen einiges an.

Ein Ausflug nach Schwäbisch Hall, sowie ein Spaziergang mit den Hunden von Frau Wies standen ebenso auf dem Programm wie verschiedene Ballsportarten in der Halle an den anderen Tagen. Immer wieder hörte man von den medienlosen Kindern: „Ach, das müsste regelmäßig stattfinden.“ Ein paar der Schüler*innen vergaßen dabei sogar ihr Handy für die erlaubten 60 Minuten Medienzeit abzuholen.

Manch eine/r tat sich anfangs zwar schwer, die/der eine oder andere verfluchte diese medienfreie Woche gar, doch einige gewannen auch rasch die Erkenntnis, dass ihnen die Zeit ohne Handy und Tablet sogar sehr gut bekam. Sie wirkten weniger gestresst, ja, eher ausgeglichen, wie sie selbst kundgetan haben.

Dies gaben dann auch viele weitere Schüler*innen in ihren Feedbackrunden so an, dass sie auch erstaunt waren, wie gut alles gelaufen sei. Und manch eine/r habe auch bereits daheim Erfahrungen ohne das ständige „Aufs-Handy-Schauen“, gemacht. Dass das „Daddeln“ und Gamen auch nicht immer im Mittelpunkt stehen muss, wurde vielen klar.  

Natürlich waren danach dennoch viele wieder froh, das Handy und die Medien in der Freizeit zur Verfügung zu haben. Aber es war eine gute Erfahrung, zu sehen, dass man ohne die ständige Inanspruchnahme der Medien, auch Zeit gewinnen kann.

Der Initiator des Projekts, Mouad Bouzid: „Das Ziel war ja auch, die Jungs und Mädels einer gewissen Altersstufe für den Umgang mit den Medien zu sensibilisieren. Sie waren in der Lage zu reflektieren...“, letztendlich sei der Anfang damit gemacht und auch gelungen, wie die Reaktionen der Schüler*innen zeigten.

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