Mit einer wichtigen Entscheidung sahen sich Mitte März die Internatsschüler der Schloss-Schule Kirchberg konfrontiert. In ganz Deutschland schlossen die Bildungseinrichtungen. Da galt es sorgfältig abzuwägen, ob es besser wäre, nach Hause zu fahren oder im Internat auszuharren. Besonders betroffen waren Schüler aus fernen Ländern wie Russland, China, Brasilien und Saudi-Arabien.
Abiturientin Kaela George stammt von der Karibik-Insel Saint Lucia. Die 17-Jährige entschied sich, in Kirchberg an der Jagst zu bleiben. Ein Glück, denn sonst hätte sie ihre Prüfungen versäumt. „Bei uns zu Hause sind die Grenzen schon seit über zwei Monaten zu“, erzählt Kaela. „Ich glaube nicht, dass sie bald wieder öffnen.“
Sechs Wochen lang saßen bis zu 40 Schüler der Klassenstufen 9 bis 12 im Internat der Schloss-Schule fest. Freiwillig und mit Einverständnis der Eltern. Internatsleiterin Melanie Wies stand vor einer Herkulesaufgabe. Um das Coronavirus fernzuhalten, wurden im Internat strenge Schutz- und Hygienemaßnahmen eingeführt. „Wir mussten den Alltag so organisieren, dass niemand einen Lagerkoller bekam“, schildert Wies. Zunächst durften die Jugendlichen das Gelände nicht mehr verlassen. Waldspaziergänge waren jedoch bald wieder erlaubt.
Nora Sinz aus Wiesbaden erzählt, ihre Eltern hätten sich Sorgen gemacht, sie könnte sich im Internat eingepfercht fühlen. „Das war nicht der Fall“, versichert die 18-Jährige und räumt ein, es habe auch mal schwierigere Phasen gegeben, weil sie Familie und Freunde vermisste.
Die Internatsleiterin ließ sich vom Gesundheitsamt beraten und hielt regelmäßig Rücksprache mit der Schulleitung, der wirtschaftlichen und technischen Leitung, den Erziehern und dem Küchenpersonal.
Die Mahlzeiten fanden nach wie vor im Speisesaal statt. Zum Anfassen von Salatzangen und Schöpfkellen gab es Handschuhe. Auf Einkaufstouren im nahegelegenen Supermarkt mussten die Schüler verzichten. Stattdessen konnten sie besondere Wünsche zweimal wöchentlich auf einem Einkaufszettel notieren: Ob Chips, Cola oder Erdbeeren – Melanie Wies besorgte die Waren höchstpersönlich.
Der Sicherheitsaufwand hat sich gelohnt. Das Internat ist bis heute coronafrei. „Wir hatten nicht einmal einen Verdachtsfall“, berichtet die Internatsleiterin stolz.
Womit verbrachten die Jugendlichen ihre Zeit? „Wir waren viel draußen“, sagt Kaela. „Es gibt hier einen kleinen Teich mit Liegen.“ Sie grillten gemeinsam oder bestellten sich Pizza. „Das schöne Wetter hat uns in die Karten gespielt“, meint Internatsleiterin Wies. Wichtig war es ihr, eine gewisse Struktur beizubehalten: Frühstück, Arbeitsstunde, Mittagessen, Arbeitsstunde, Abendessen. „Damit die Schüler nicht in ein Loch fallen“, begründet sie. Das Lernen kam nicht zu kurz. Über die Kommunikations-Plattform IServ verschickten die Lehrer Unterrichtsmaterialien und verteilten Aufgaben. Kaela und Nora gefiel das selbstständige Lernen. „Aber ich war auch froh, als der Unterricht wieder angefangen hat“, lächelt Nora.
Inzwischen hat sich die Zahl der Internatsschüler auf rund 70 erhöht. „Ich lasse nicht mehr als 15 Leute auf einmal anreisen“, erklärt Wies. Zwei Wochen lang leben sie strikt getrennt von den anderen, in Extra-Räumlichkeiten.
Die Internatsleiterin ist glücklich, wie gut alles geklappt hat. „Die Schüler haben sich super benommen, obwohl sie wenig machen durften.“ Ein Nachbar bestätigt, die Jugendlichen hätten sich sehr diszipliniert verhalten. Zum reibungslosen Ablauf trugen alle Mitarbeiter bei.
Die Eltern bekamen von der Schule regelmäßig Informationen zugeschickt. „Dadurch haben sie sich nicht so viele Sorgen gemacht“, lobt Kaela. Gerne würde die Abiturientin im Juli wieder nach Hause fliegen. „Ich hab‘ wirklich keine Ahnung, ob das möglich ist.“
Bildunterschrift:
Kaela George (li.) und Nora Sinz (re.) nutzten die unterrichtsfreie Zeit, um intensiv zu lernen. Dank des schönen Wetters verbrachten sie viele Stunden im Freien. Internatsleiterin Melanie Wies (Mitte) kümmerte sich mit großem Engagement um den organisatorischen Rahmen.