Im Gespräch mit Herrn Dr. Raphael Nagel - April 2023
Der ehemalige Schüler der Schloss-Schule verließ mit der Mittleren Reife 1987 die Schloss-Schule. Raphael lebt heute mit seiner Familie in Dubai, ist weltweit unterwegs, Turnaround-Investor und blickt voll Dankbarkeit auf seine Zeit an der Schloss-Schule zurück.
Was fällt Ihnen spontan als Erstes ein, wenn Sie an die Zeit an der Schloss-Schule denken?
Wir hatten damals einfach wahnsinnig viel Spaß – das fällt mir als Erstes ein! Mit dem Unterricht war ich sehr zufrieden, auch mit den Erziehungsmaßnahmen. Es war vieles ganz anders wie ich bisher Schule erlebt hatte. Der Kontakt zwischen den Lehrern, den Mitarbeitern vom Internat und uns Schülern war auf Augenhöhe und geprägt von Offenheit und Geduld. Man wurde so angenommen wie man eben war.
Welche schulischen Stationen hatten Sie vor der Schloss-Schule?
In Heilbronn war ich auf der Grundschule bis zur 2. Klasse. Danach bin ich mit meinen Eltern nach Barcelona und 1983 wieder zurück nach Deutschland. Hier bin ich dann direkt in die 5. Klasse in die Schloss-Schule gekommen.
Was hat sich mit dem Besuch der Schloss-Schule verändert?
Ich war sehr behütet und auf der Schloss-Schule war alles für mich zunächst wie in einer anderen Welt. Ich musste erstmal lernen mich in eine Gruppe zu integrieren. Wir waren damals noch zu Viert auf den Zimmern. Das war eine enorme Umstellung! Auch der Umgang in einer Gruppe war ganz ungewohnt für mich, die Loyalität, die Kommunikation mit anderen. Die ganzen sozialen Aspekte durfte ich ganz neu kennenlernen. Ich habe hier sehr viel Hilfe erfahren und zum ersten Mal Gruppendynamik als positiven Aspekt und Effekt spüren dürfen.
Was haben Sie an der SK als prägend erlebt? Welche Werte, Lebensweisheiten oder sonstigen Einflüsse begleiten Sie bis heute?
Die Vermittlung von Werten, wie Toleranz gegenüber Andersdenkenden, und die damit verbundene Akzeptanz und das freie Denken sind für mich extrem prägend gewesen. Herrn Borchers bin ich bis heute unendlich dankbar, dass er durch seine Art zu agieren mit den Menschen, uns Kindern und Jugendlichen, gezeigt hat, wie sachliche Diskussionen erfolgreich geführt werden und welchen Effekt sie haben. Auch das Vorleben und Vermitteln von Disziplin, eine hohe Ergebnisorientierung, ein gut strukturiertes Zeitmanagement, die Wichtigkeit von Freundschaft und dass es oftmals sehr heilsam sein kann sich selbst manchmal zurück zu nehmen. Sein Verhalten hat mir gezeigt wie man Menschen dazu motivieren kann, dass sie einem folgen und zwar ohne Angst und Macht als Mittel, und dass es enorm wichtig ist, immer weiter an sich selbst zu arbeiten!
Wie ging es nach der Schloss-Schule weiter?
In Heilbronn habe ich eine Lehre als Speditionskaufmann absolviert. Danach studierte ich berufsbegleitend BWL und bin dann in die Bank und Finanzindustrie mit dem Schwerpunkt Unternehmenssanierungen. Hier habe ich im Anschluss für viele verschiedene Unternehmen gearbeitet und habe in mehreren Ländern auf der ganzen Welt gelebt. Auch Jura habe ich noch studiert. Nun wohne ich seit ca. 8 Jahren mit meiner Familie in Dubai, bin unter anderem Turnaround-Investor und in verschiedenen Bereichen und Branchen aktiv.
Welche Geschichten und Anekdoten aus der Zeit an der Schule dürfen auf keinen Fall fehlen?
Die Geschichten sind sehr personenabhängig auf wen ich treffen würde. Da gibt es viele Streiche und Geschichten, die ich mit unterschiedlichen Menschen erlebt habe und wieder teilen würde.
Wofür sind Sie dankbar?
Zu allererst dafür, dass ich am Leben bin! Vor gut 10 Jahren hatte ich einen Herzinfarkt und bin einfach froh, dass ich noch hier sein darf!
Ich bin auch dankbar für die Dinge, die nicht so gut gelaufen sind. Häufig hatte ich bereits die Chance mich bei den Menschen zu entschuldigen, wenn ich etwas falsch gemacht habe und es wieder gut zu machen.
Ich bin dankbar für viele Freundschaften, die große Geduld, auch hier an der Schule und dass alle durchgehalten haben und an mich geglaubt haben, auch wenn es nicht immer einfach war. Die Schule hat sich wirklich sehr bemüht. Kirchberg war zu der Zeit als ich hier gelebt habe mein persönlicher „Save Heaven“.
Rückblickend kann ich ganz klar sagen, dass auch alles Negative für mich und für mein Leben sehr wichtig war und ist. Ich bin aus allem gestärkt herausgegangen und bin froh vergeben und verzeihen zu können.
Was würden Sie heute, rückblickend auf Ihre Schulzeit, anders machen?
Ich würde versuchen mich bereits als Heranwachsender sozial anders zu verhalten. Auch mehr Verständnis für die Lehrer aufzubringen. Ich musste, weil ich mich häufig nicht korrekt verhalten habe, soziale Dienste mit behinderten Kindern absolvieren. Dies hat mir und meiner sozialen Kompetenz im Nachhinein extrem weitergeholfen. Heute hätte ich sicher den Anspruch, dass es gar nicht so weit kommen müsste!
Würden Sie gerne künftig die Schule und die jetzigen Schüler*innen unterstützen? Wenn ja, was könnten Sie sich vorstellen?
Das wäre mir eine große Ehre und das mache ich sehr gerne! Mir ist es ein Anliegen der Schule etwas von dem zurückzugeben was sie mir geschenkt hat. Ohne den Besuch an der Schloss-Schule wäre ich vermutlich nicht da, wo ich heute bin.
Für mich ist grundsätzlich an Unterstützung sehr viel vorstellbar. Sehr gerne würde ich Kindern und Jugendlichen helfen, die sich vielleicht auch schwerer tun in Strukturen zurecht zu kommen. Hier bin ich gerne Ansprechpartner.
Auch wäre für mich sehr gut vorstellbar, dass ich die Schloss-Schule dabei unterstütze, dass die internationale Wahrnehmung stärker wird. Was ebenfalls denkbar ist sind Kooperationen mit der Schule und den Schülern.
Ich könnte mir hier wirklich sehr viel vorstellen und würde mir wünschen, dass wir in Kontakt und im Austausch sind. Vieles ist aus meiner Sicht denkbar und ich freue mich darauf zu unterstützen!
Was möchten Sie sonst noch mitteilen?
Die Schloss-Schule hat mir sehr vieles gelehrt. Gelernt habe ich vor allem durch den Umgang miteinander und dass ganz Vieles vorgelebt und selbstverständlich im Alltag umgesetzt wurde.
Hierzu zählen für mich beispielsweise die Fähigkeit zum eigenständigen Denken. Durch den Austausch und Diskussionen auf Augenhöhe wurden wir damals als Schüler ernst genommen, wir konnten unsere Gedanken zu Ende denken und haben die Fähigkeit erlernen dürfen zu reflektieren und andere Meinungen anzuhören, ernst zu nehmen und auch andere Argumente in die eigene Meinungsfindung einzubeziehen. Hier gab es kein stures Schwarz-Weiß-Denken. Auch gibt es nicht immer eine Wahrheit. Die Fähigkeit die Perspektive zu wechseln und tolerant gegenüber anderen zu sein, die nicht die eigenen Ansichten teilen, ist etwas was mich sehr stark geprägt hat.
Dieser Umgang fördert ungemein die eigene Entwicklung, das stärkt die Offenheit und die Akzeptanz. Hier waren auch Gesprächsrunden, wie sie im Internat stattgefunden haben, sehr hilfreich.
Ebenfalls gelernt habe ich in meiner Zeit, dass es elementar ist, die Balance zu halten. Dies ist eigentlich auf alles übertragbar. So ist für mich bis heute der Sport und auch das Lesen ein Ausgleich, der fest in meinem Leben etabliert ist.
Am Ende möchte ich einfach meinem Dank nochmals Ausdruck verleihen! Ich freue mich darauf den Kontakt mit der Schloss-Schule wieder zu intensivieren…