Exkursion ins Europäische Parlament in Straßburg – Wie man als Politiker fast perfekt wird

  • Erstellt von Noé Meinhardt K12, Anna Albrecht K12
  • Aus Schülersicht

Am 05.02.2020 besuchten wir im Rahmen des Gemeinschaftskunde Leistungskurses zusam-men mit weiteren interessierten Schülerinnen und Schülern aus Klassenstufe 11 und 10 mit insgesamt 28 Schloss-Schülern das Europäische Parlament in Straßburg, um an einem Rollenspiel zum Gesetzgebungsverfahren teilzunehmen.

Das Rollenspiel konnte uns Teilnehmern die Arbeit eines Mitglieds des Europäischen Parlaments (MdP) sehr interaktiv und anschaulich deutlich machen.
Um in die bevorstehende Arbeit gut eingewiesen zu sein, definierten wir auf der Hinfahrt einige essentielle Begriffe, die für eine Arbeit im europäischen Parlament unabdingbar sind. So zum Beispiel die drei Akteure der EU: Die europäische Kommission als das sogenannte Durchführungsorgan, das europäische Parlament, welches von den Bürgern aller EU-Staaten direkt gewählt wird und deren Interessen vertritt, und der Ministerrat in dem je ein Minister pro EU-Mitgliedsstaat einen Sitz hat und damit die Regierungen der EU-Staaten vertritt.

Für uns war insbesondere das europäische Parlament von Bedeutung, da wir MdP spielten, die für zwei Szenarien den vollständigen Entscheidungsprozess im EU- Parlament nachvollzogen. Doch zuerst durften wir in der Kantine des Parlaments zu Mittag essen.

Dann bekam jeder ein Handy, auf dem Informationen eingingen und der zeitliche Ablauf angezeigt wurde. Auf den Displays konnten wir als erstes die Fraktionszugehörigkeit mittels Symbolen entnehmen, welche unsere Fraktionszugehörigkeit anzeigte. Wir wurden in folgende vier Fraktionen unterteilt: In die „Europäische Solidaritätsfraktion“, deren Hauptziel der Wohlfahrtsstaat ist, die „europäische Umweltfraktion“, die vor allem für Umweltschutz, aber auch für Gerechtigkeit und Freiheit steht. Außerdem die „Europäische Freiheitsfraktion“, welche an die Verantwortung des Einzelnen und das Funktionieren von Marktmechanismen glaubt und dementsprechend für freies Unternehmertum und freien Wettbewerb steht sowie gegen staatliche Intervention plädiert. Die vierte Fraktion war die „Europäische Traditionsfraktion“. Diese setzt sich insbesondere dafür ein, dass staatliche Intervention und private Initiativen ausgeglichen sind und, dass Gesetzgebungsziele realistisch bleiben, um eine flexible Umsetzung zu ermöglichen.

Daraufhin begann das interaktive Rollenspiel. Zuerst wurden uns von der Kommission zwei Richtlinien vorgestellt. Die erste behandelte die Problematik, dass Europa aufgrund des Klimawandels ein Ungleichgewicht in Bezug auf die Wasserressourcen besitzt. Es wurde beschlossen, eine Wasserrohrleitung durch die gesamte EU zu bauen. Der Bau dieser habe bereits begonnen, weise allerdings noch ein 30-prozentiges Defizit auf. Daher soll eine Wasser-solidaritätsrichtlinie als Maßnahmenplan für die Wasserverwaltung erlassen werden. Im zweiten Fall handelte es sich um eine Richtlinie über bürgerliche Freiheiten und eine Personenerkennungsrichtline. Hierbei ging es um implantierte Microchips, die in Europa bereits aus Gesundheits-, Erkennungs- und Sicherheitsgründen in Verwendung sind. In den folgenden Debatten ging es darum, inwieweit die Verwendungen solcher Chips reguliert werden müssen, um individuelle Grundrechte zu sichern und potentiellen Missbrauch einzuschränken. Nun folgte der gesamte Entscheidungsprozess, den jeder Vorschlag im europäischen Parlament durchlaufen muss. Dazu fanden wir uns zu Besprechungen innerhalb der Fraktionen ein und bekamen beispielsweise Informationen und Meinungen zu den Themen von Lobbyisten*Innen und Bürger*Innen. Über die Erste Lesung und die zweite Lesung des Parla-ments mit den jeweiligen Abstimmungen und Beratungsphasen mussten wir uns im Vermittlungsausschuss einfinden, da wir zuvor keine konsensfähige Lösung finden konnten. Dort mussten wir einen Kompromiss finden, damit das Gesetz nicht scheiterte. Dies gelang uns glücklicherweise, sodass wir über die dritte Lesung und der finalen Abstimmung den gemeinsamen Textentwurf annehmen konnten. Damit war das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen.

Das Rollenspiel hat uns sehr viel Spaß gemacht und die Arbeit eines Parlamentariers nähergebracht. Die interaktive Gestaltung des gesamten Rollenspiels verlieh dem Ganzen eine gewisse Leichtigkeit, und wir konnten uns sehr einfach auf unseren Aufgaben einlassen. Die mediale Begleitung unserer Arbeit trug ebenfalls dazu bei.

Nachdem das Rollenspiel abgeschlossen war, hatten wir die Möglichkeit, als Zuschauer an einer Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung teilzunehmen. An dieser Ver-sammlung nahmen bekannte Persönlichkeiten, wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Wolfgang Schäuble teil, welche gemeinsam mit der französischen Verteidigungsministerin Florence Parly die zentralen Akteure der Versammlung darstellten. Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung ist ein binationales Gremium, welches an der Umsetzung der gemeinsamen EU-Richtlinien arbeitet und besteht aus jeweils 50 deutschen sowie französischen Abgeordneten. Sie tagen zweimal jährlich. Die Versammlung gilt als Symbol der Deutsch-Französischen Freundschaft vor dem Hintergrund des Élysée-Vertrags. Die nationalen Vertreter sprachen beispielsweise darüber, wie die Kommunikation besser gelingen kann und wie die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Frieden und Demokratie weiterhin möglichst nachhaltig umgesetzt werden können. Wolfgang Schäuble sprach über die Parlamentarier als Bindeglied zur Bevölkerung und allgemein über Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Dabei zielte er auf die unterschiedlichen verteidigungspolitischen Ausrichtungen Deutschlands und Frankreichs ab und plädierte auf gegenseitiges Verständnis trotz bestehender Differenzen.

Sowohl von deutscher als auch französischer Seite wurden zunächst innenpolitische Themen diskutiert. In Frankreich musste Sabine Thillaye ihren Vorsitz im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union abgeben und verließ gleichzeitig ihre Fraktion. Dies führte zu heftigen Meinungsäußerungen seitens der Parlamentarier. In Deutschland spielte die Wahl Thomas Kemmerichs als Ministerpräsident Thüringens eine Rolle, da dieser an diesem Tag gewählt wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Wahl nur unter Mitwirkung der AfD gewonnen wurde. Annegret Kramp-Karrenbauer verurteilte bereits zu diesem Zeit-punkt das Geschehen in Thüringen und meinte, dass es „kein guter Tag für Thüringen“ sei.

Da wir uns die Tagung nicht ganz bis zum Ende ansahen, konnten wir die verbleibende Zeit nutzen, um uns die Innenstadt Straßburgs anzusehen, zu shoppen und etwas zu essen, bis wir uns zum vereinbarten Zeitpunkt am Place de I’Étoile Park trafen, um von dort aus zurück zur Schloss-Schule zu fahren.

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