Im Gespräch mit Dr. Lorenz Granrath - Juli 2025

Lorenz lebt mit seiner Familie in Japan und hat dort seit über 20 Jahren seinen Lebensmittelpunkt. Der Aufbau eines Netzwerks und die entsprechende Pflege und das Potential was darin steckt ist seine Passion. Hierbei ist er extrem erfolgreich. Er hat für namhafte Institutionen und Einrichtungen, wie beispielsweise die Fraunhofer Gesellschaft, gearbeitet. Dankbar ist er für die Fügung, dass er nach Japan gekommen ist und dass sich in seinem Leben immer die passenden Möglichkeiten eröffnet haben.

Was fällt Dir spontan als Erstes ein, wenn Du an die Zeit an der Schloss-Schule denkst?
Da denke ich als Erstes daran, dass ich weg war von zu Hause, den Eltern, und auf mich gestellt war. Das war wirklich anders. Auch auf einmal zu Zweit auf einem Zimmer zu sein, war eine neue Erfahrung.
Die Schule war viel kleiner und wir hatten deshalb auch viel mehr Kontakt zu den Lehrern. Dies kannte ich so nicht. Auch, dass wir bereits als Schüler auf Augenhöhe behandelt wurden und wir mehr gemeinsame Zeit mit den Lehrkräften verbracht haben. Wir haben zusammen gegessen und haben auch mit einigen Pädagogen gemeinsam auf dem Campus gelebt. Hier habe ich Gemeinschaft viel intensiver erlebt. Insgesamt war ich zwei Jahre an der Schloss-Schule von 1979 bis 1981.

Erzähle doch gerne etwas zu Deinen schulischen Stationen bevor Du auf die SK gekommen bist?
Ursprünglich komme ich aus der Nähe von Düsseldorf. Aus einem kleinen Ort und hier war ich auch auf der Grundschule. Danach bin ich aufs Gymnasium, das allerdings ca. 1/2 Fahrtstunde von zu Hause entfernt war. Da meine Leistungen in der Oberstufe dann nicht mehr so gut waren, ist der Gedanke bezüglich eines Internatsbesuches entstanden. Wir haben uns einige Internate angesehen und Kirchberg hat uns überzeugt. Meine Mutter war auch schon auf einem Internat. Kirchberg war im Vergleich eher klein, die Klassen waren nicht groß – das hat mir sehr gutgetan. Meine Leistungen waren auch sofort besser, ich habe die 12. Klasse freiwillig wiederholt. Das war super für mich.

Was hat sich in Kirchberg geändert?
Die wichtigste Veränderung für mich war die deutliche Verbesserung der Noten durch die andere Struktur in der Schule. Das Lernen in den kleinen Klassen war viel intensiver, sodass ich außerhalb des Unterrichts nicht mehr viel machen musste.

Was hast Du als prägend erfahren? Welche Werte, Lebensweisheiten und sonstigen Dinge begleiten Dich noch heute?
Sehr prägend war der gemeinschaftliche Gedanke. Es war selbstverständlich, dass man sich gegenseitig unterstützt und füreinander da ist. Auch, dass sich alle auf Augenhöhe begegnen und man viele Dinge mitgestalten konnte. Alle wurden gleichbehandelt und dies ist auch ein Grundsatz den ich bis heute beibehalten habe.

Wie ging es nach der SK weiter?
Nach dem Abitur habe ich erstmal ein Praktikum gemacht. Danach habe ich mich in Karlsruhe für ein Studium im Bereich Maschinenbau entschieden. Ab dem dritten Semester wechselte ich dann zu Wirtschaftsingenieurwesen. Bereits während des Grundstudiums jobbte ich als wissenschaftliche Hilfskraft im Fraunhofer Institut. Mein Vordiplom verzögerte sich dadurch etwas, aber die Beschäftigung war nötig, da ich mein Studium selbst finanzieren musste. Meine Eltern konnten mich zu diesem Zeitpunkt nicht unterstützen. Beendet habe ich im Jahr 1990. Durch die erforderlichen Nebenjobs habe ich einfach mehr Zeit benötigt. Nach Abschluss des Studiums habe ich dann in St. Gallen promoviert. Auch hier habe ich mich selbst finanziert. Ich bekam ein Stipendium und konnte nach Japan gehen und war dort von 1992 bis 1993 an der Tokyo University. Das Leben in Japan hat mich sehr fasziniert. Mein Traum war, wieder dorthin zurückzukehren.

Meine gesamte Studienzeit war geprägt durch die Tätigkeiten am Fraunhofer Institut.

Beruflich startete ich dann 1994 in Berlin bei der Commerzbank in einem Trainee Programm, wechselte dann im Jahr 1995 zu ABB Heidelberg und anschließend im Jahr 1997 an diie GMD - Forschungszentrum Informationstechnik nach Bonn. Der Kontakt zu Fraunhofer bestand immer noch und so kam es dann, dass ich 2001 für Fraunhofer nach Japan gehen und dort das Fraunhofer Representative Office Japan aufbauen konnte. Hier baute ich ein Netzwerk aus Forschungspartnern auf – 2012 konnten wir ein Fraunhofer Projekt Center für MEMS (Mechanisch Elektrische Mikrosysteme) an der Tohoku Unversity aufbauen. Wichtiger noch waren aber die Forschungsaufträge von allen namhaften Firmen der Japanischen Industrie, was ich bis 2013 sehr erfolgreich gemacht habe. Leider war mein Gehalt mittlerweile zu hoch geworden, da ich eine erfolgsbeteiligte Bezahlung hatte und wir trennten uns mit einer guten Abfindung, die mir dann erlaubte, ab 2014 für die japanische Forschungseinrichtung AIST (National Institute for Advanced Industrial Science and Technology) zu arbeiten sowie verschiedene Firmen und Startups zu vertreten.

Ab 2021 war ich dann ein Jahr Projekt-Professor an der Tohoku University und berate seither verschiedene Unternehmen und Einrichtungen.

Das Renten-Konzept in Japan ist leider ein völlig anderes als in Deutschland, so dass es auch normal ist, bis ins hohe Alter zu arbeiten. Die Rentenzahlungen sind einfach viel zu gering, davon kann man nicht Leben. Deshalb bin ich auch noch nicht auf den Ruhestand eingestellt. Heute beschäftige ich mich hauptsächlich mit Produktionsdigitalisierung, unterstütze Unternehmen bei dem Aufbau von Netzwerken, um sich austauschen und weiterentwickeln zu können. Und natürlich bin ich auch im Thema KI unterwegs und unterstütze auch hier mit meinem Fachwissen und meiner Erfahrung.

Welche Geschichten und Anekdoten fallen Dir denn aus der Schulzeit ein?
Gut erinnern kann ich mich, dass wir manchmal nachts aus dem Fenster gestiegen und dann in die Kneipe sind. Manchmal haben wir dort auch Lehrkräfte und Erzieher getroffen und es ergab sich ein offenes Gespräch, in dem die Lehrer auch mal sagten, was ihnen durch den Kopf ging und uns half, Dinge mal durch eine andere Brille zu sehen.

Wofür bist Du dankbar?
Extrem dankbar bin ich für mein großes Netzwerk. Und auch, dass das damals mit Japan geklappt hat. Dies war wirklich mein großer Wunsch und dieser ist in Erfüllung gegangen! Sehr dankbar bin ich auch für alles was ich erleben durfte und wie sich die Dinge, auch nach bspw. beruflichen Problemen, dann doch wieder zum Guten gefügt haben.

Was würdest Du heute, rückblickend auf Deine Schulzeit, anders machen?
Ich würde nichts anders machen wollen.

Würdest Du gerne die Schule und die jetzigen Schüler*innen unterstützen?
Wenn ja, was könntest Du Dir vorstellen?

Da ich in Japan lebe, könnte ich mir beispielsweise Online-Vorträge über das Leben und Arbeiten in Japan vorstellen, oder natürlich auch zum Thema KI oder Digitalisierung.

Was gibt es sonst noch, was Du gerne teilen möchtest?
Ich freue mich, dass ich mit einigen Schulkollegen aus der Schloss-Schule immer noch einen guten Kontakt habe und auch nach dieser langen Zeit und der großen Distanz befreundet bin.