Im Gespräch mit Raphael Kirchgäßner - Oktober 2023

Im Online-Interview erzählt der ehemalige Schloss-Schüler, dass er 2013 nach seinem Abschluss die Schule verlassen hat und heute mit seiner Familie in Oregon, USA, lebt. Er hat dort eine Doktorandenstelle und forscht im Bereich Künstliche Intelligenz und Brustkrebs. An seine Schulzeit erinnert er sich gut und stellt heute fest, dass er durch seine Zeit an der Schule reflektierter und selbstbewusster wurde. Heute ist er dankbar, dass er aktiv das Leben von Menschen beruflich verbessern kann – dies ist sein persönliches Motiv und darauf ist er sehr stolz!

Was fällt Dir spontan als Erstes ein, wenn Du an die Zeit an der Schloss-Schule denkst?
Ich hatte meine Höhen und Tiefen an der Schloss-Schule. Mein größtes Hoch ist definitiv, dass ich meine Frau über eine Mitschülerin kennenlernen durfte! Außerdem ist es für mich rückblickend so, dass ich an der Schloss-Schule sehr gefördert wurde, vor allem durch Eva Borchers. Sie hat mich, aber auch meine Mutter, über die Jahre eng begleitet. Ich konnte viel ausprobieren und das war als Jugendlicher sehr hilfreich. Insgesamt war ich 8 Jahre an der Schule und habe meine prägendsten Entwicklungszeiten zum jungen Erwachsenen in Kirchberg vollzogen.

Erzähle doch gerne etwas zu Deinen schulischen Stationen bevor Du auf die SK gekommen bist?
In einem recht kleinen Ort bei Karlsruhe war ich auf der Grundschule. Die Schule war bei uns zu Hause nebenan. Danach ging ich auf eine weiterführende Schule, die stark musikalisch orientiert war, in Lahr im Schwarzwald. Doch als es zu einer schulischen Umorientierung kam, mussten Alternativen gefunden werden. Deshalb bin ich dann, forciert durch meine Eltern, auf die Schloss-Schule gekommen. Das war mehr oder weniger Zufall. Verbindungen nach Kirchberg oder zur Schloss Schule gab es nicht.

Was hat sich in Kirchberg geändert?
Sehr vieles hat sich für mich geändert. Ich hatte völlig neue Einflüsse durch die Lehrer*innen und Erzieher*innen. Ich erlebte klare Strukturen und durch die enge Verbindung von Schule und Internat waren die Kontakte und die Beziehungen zueinander sehr intensiv. Für mich persönlich war das rückblickend betrachtet sehr hilfreich. Dieser Kontakt hat mich auch sehr stark geprägt.

Was hast Du als prägend erfahren? Welche Werte, Lebensweisheiten und sonstigen Dinge begleiten Dich noch heute?
Da gibt es viele Dinge, die ich an der Schule und im Internat erfahren habe. Ich habe gelernt reflektierter zu sein und bin durch die Erlebnisse, Unterstützung und Förderung sehr viel selbstbewusster geworden. Weiterhin habe ich gelernt, was diplomatisches Geschick im menschlichen Miteinander bedeutet. Ohne die Jahre der Schloss-Schule wäre ich nicht der Mensch der ich heute bin.

Wie ging es nach der SK weiter?
Nach meinem Abschluss im Jahr 2013 bin ich zurück nach Karlsruhe. Dort habe ich zusammen mit einem weiteren Schloss-Schüler Wirtschaftsinformatik studiert und bin nach meinem Abschluss von der Uni als akademischer Mitarbeiter übernommen worden. In diesem Zusammenhang war es meine Aufgabe die unteren Semester im Bereich Programmieren zu unterrichten, sowie als Teaching Assistent Kurse zu unterstützen. Im März 2018 bin ich dann, zusammen mit meiner Frau, in die USA, genauer nach Portland, Oregon. Sie hat eine Stelle als Doktorandin erhalten und ich bin zunächst ohne konkrete berufliche Anstellung mit ihr mitgekommen. Bis 2019 habe ich vor Ort sehr viel Zeit mit Selbststudium verbracht und die Zeit für die Gründungsvorbereitung meiner Firma genutzt. Im September 2019 habe auch ich eine Doktorandenstelle (PhD) an der Oregon Health & Science University (OHSU) erhalten und bin seitdem in der Krebsforschung, genauer Brustkrebs, mit dem Fokus zur Entwicklung von KI-Modellen tätig. Kurz darauf, im Mai 2020 wurde dann meine Tochter geboren. Elternteil zu sein hat mir nochmals verstärkt gezeigt, wie wichtig es ist die richtigen Prioritäten zu setzen und darauf hinzuarbeiten was einem wirklich wichtig ist und einen glücklich macht.
Im Jahr 2021 habe ich dann zwei Firmen gegründet, die ich zusammen mit Business-Partnern führe. Eine der Firmen ist eine auf KI basierende Cloudplatform für Musiker und Komponisten. Die andere ist eine IT-Consulting Firma in den Bereichen Data Science & IT Infrastruktur. Heutzutage ein sehr wichtiges Thema. In Amerika ist es deutlich unkomplizierter und einfacher eine Firma zu gründen. Im Gründerbereich herrscht hier eine andere Dynamik. Ich möchte jedoch ganz klar differenzieren, dass die Krebsforschung mein absolutes Hauptaugenmerk ist. Hieran arbeite ich auch in einer 100%-Anstellung. Die Arbeit, die in den Firmen ansteht, ist für mich frei einteilbar. Bei der Krebsforschung folge ich meinem Herzen und meinem Grundmotiv, an etwas zu arbeiten das die Welt voranbringt und auch ein Stückchen besser macht.

Welche Geschichten und Anekdoten fallen Dir denn aus der Schulzeit ein?
Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mich bereits damals viel mit meinem Computer beschäftigt habe und meine ersten Schritte im Bereich der Spieleentwicklung wagte. Dabei habe ich ein eigenes Spiel entwickelt und musste dieses auch testen. Die Mentoren kamen aber natürlich immer dann ins Zimmer, wenn ich gerade am (Test)-Spielen war und haben mir, glaube ich, häufig nicht abgenommen, dass ich wirklich programmiert habe und das nicht einfach nur ein Vorwand war, um mehr am PC sitzen zu dürfen. Besonders im Gedächtnis sind mir auch 2 Projekttage. Einmal Erlebnisprojekttage an welchem wir eigene Flöße gebaut haben, so wie uns mit Funkgeräten und Landkarte bestückt, in 2 größeren Gruppen durch den Wald navigiert haben. Der Twist dabei, die beiden jeweiligen Gruppen hatten den Weg der anderen Gruppe und mussten sich somit gemeinsam als Team zum Ziel lotsen. Das andere Beispiel sind die letzten Projekttage die ich als Schüler miterlebt habe. Unter meiner Leitung und der Unterstützung vieler Schüler, von klein bis groß, bauten wir die Schloss-Schule in Minecraft nach. Eine kleine Gruppe vernetzte sogar unseren virtuellen Nachbau mit Strom und entsprechenden Lichtern. Ich bin bis heute von der Bereitschaft der Schulleitung, unter anderem auch von Jürgen Scharch, Schüler aktiv am Computer selbstverwaltet arbeiten zu lassen, positiv überrascht. Der virtuelle Schul-Nachbau war ein voller Erfolg und wurde zeitgerecht fertig und schlussendlich auch öffentlich präsentiert.
Wir haben damals viele tolle Sachen gemacht, wie beispielsweise die schon erwähnten Erlebnisprojekttage. Als Schüler nimmt man die Angebote leider manchmal anders wahr. Auf vieles hat man erstmal keine Lust. Aber im Nachhinein war es wirklich toll was wir alles gemacht und unternommen haben. Auch dies hat mich in meiner Persönlichkeit und Entwicklung geprägt.

Wofür bist Du dankbar?
Ich bin unendlich dankbar für meine Familie; meine Frau und Tochter. Weiterhin bin ich auch für meine Stelle am OHSU dankbar, durch welche ich die Möglichkeit bekomme, direkt an den allerneuesten Entwicklungen beteiligt zu sein und aktiv meiner eigenen Motivation folgen kann, Menschen zu helfen und zu unterstützen. Ganz nach dem Motto: „[…] to boldly go where no man has gone before“.

Was würdest Du heute, rückblickend auf Deine Schulzeit, anders machen?
Ich würde heute wahrscheinlich versuchen mein ganzes Interesse rund um die IT noch mehr zu verfolgen und versuchen dies auch den Mentoren und den Lehrern noch näher zu bringen. Zu meiner Schulzeit war IT sehr viel weniger präsent im Unterricht wie auch im Alltag. IT hat mit so viel mehr zu tun als nur Computer spielen und wie wir vor allem auch in der heutigen Zeit sehen, ohne IT würde es heute nicht mehr gehen.

Würdest Du gerne die Schule und die jetzigen Schüler*innen unterstützen? Wenn ja, was könntest Du Dir vorstellen?
Gut kann ich mir vorstellen, Vorträge für die Schüler*innen zu halten. Hier kann ich über meine Arbeit informieren, gerne auch über meinen Lebenslauf und wie mein oder unser Leben hier in den USA aussieht. Dies kann ich mir auch gut wiederkehrend vorstellen. Auch wenn es darum geht die jungen Menschen darüber zu informieren, wie wir unseren Lebensmittelpunkt nach Oregon verlegt haben und wie sehr sich doch die USA von Europa unterscheiden. Hier gebe ich gerne Hilfestellungen und beantworte Fragen. Ich finde es wichtig ausreichend informiert zu sein, um sich ein klares Bild und eine fundierte Meinung bilden zu können. Wenn bei den Schüler*innen Interesse besteht, bin ich auch gerne bereit, Einblicke in Academia (Wissenschaft) zu geben, die man sonst so in der Schule eher nicht geboten bekommt.

Was gibt es sonst noch, was Du gerne teilen möchtest?
Grundsätzlich biete ich gerne Unterstützungen für die Schüler*innen an und freue mich darauf Menschen jeden Alters ein Stück zu begleiten und ihnen Hilfestellungen zu geben, wo immer es nötig wird. Persönlich finde ich es wichtig, im Leben etwas Motivierendes zu finden, bei welchem man seine Stärken und Energie einsetzen kann